In der heutigen Welt ist Virusklassifikation ein Thema, das in der Gesellschaft großes Interesse und Debatte hervorruft. Mit dem Fortschritt der Technologie und der Globalisierung ist Virusklassifikation zu einem relevanten Thema geworden, das Menschen jeden Alters und jeder Nationalität betrifft. Ob beruflich, privat oder akademisch, Virusklassifikation hat einen erheblichen Einfluss auf das tägliche Leben vieler Menschen. In diesem Artikel werden wir verschiedene Aspekte im Zusammenhang mit Virusklassifikation untersuchen und seinen Einfluss in verschiedenen Bereichen sowie mögliche Auswirkungen auf die Zukunft analysieren.
Die Klassifikation von Viren beruht auf verschiedenen morphologischen, epidemiologischen oder biologischen Merkmalen. Von der rein funktionellen Klassifikation ist jedoch die offiziell gültige Taxonomie von Viren zu unterscheiden, nach der Viren beispielsweise in Familien, Gattungen und Arten nach dem Grad ihrer Verwandtschaft (ermittelt insbesondere durch Genomvergleich) eingeteilt werden. Alle anderen Klassifikationen sind noch zum Teil aus historischen oder praktischen Gründen üblich. Die Entscheidung über Kriterien der Taxonomie und Einteilung von Viren trifft ein internationales Gremium mit dem Namen International Committee on Taxonomy of Viruses (ICTV).
Im Jahre 1962 wurde von André Lwoff, Robert W. Horne und Paul Tournier entsprechend der von Carl von Linné begründeten binären Klassifikation der Lebewesen eine Taxonomie der Viren („LHT-System“) eingeführt. In ihr werden analog zur Taxonomie anderer Lebewesen, die folgenden Taxa unterteilt:
Art oder Species (nach der hervorgerufenen Krankheit oder dem Wirt: Krankheit…virus, Wirt…virus)
Eine historische Einteilung der Viren nach dem LHT-System findet sich bei Francesco Fiume.[1] Die entscheidenden Charakteristika für diese Klassifikation waren:
Helfervirus – wird von einem Satellitenvirus zu dessen Replikation genutzt
Satellitenvirus – kann sich ohne die Hilfe eines anderen Virus (Helfervirus) nicht im Wirt replizieren (siehe Symbiose). Es kann dessen Replikation erkennbar beeinträchtigen (siehe Virophage), muss aber nicht.
In der modernen Taxonomie bleiben diese Kriterien unberücksichtigt, auch wenn sie weiter für die Zusammenfassung unterschiedlicher Viren mit gemeinsamen medizinischen oder epidemiologischen Merkmalen wichtig sind.
Die moderne Virus-Taxonomie nach ICTV orientiert sich ebenfalls nach Linné. Sie umfasst seit 2018 auch die höheren Rangstufen oberhalb der Ordnung, mit Namensendungen, die teilweise vom LHT-System abweichen.[2][3]
Die verschiedenen Möglichkeiten ergeben sich dadurch, dass ein Strang der doppelsträngigen DNA, so wie sie in allen zellulären Organismen vorliegt, redundant ist und bei Viren daher entfallen kann.
Ebenso kann das Virusgenom auch in verschiedenen Formen der RNA vorliegen, die in Zellen als Zwischenstufe bei der Proteinsynthese (mRNA) auftritt.
Bei einzelsträngiger DNA oder RNA kommen beide möglichen Kodierungsrichtungen vor: die normale Richtung 5'→3', die als (+) Polarität bezeichnet wird, wie sie in der mRNA vorliegt, und die entgegengesetzte (komplementäre) Richtung (-), in der die RNA quasi als Negativ vorliegt.[7]
Diese Baltimore-Klassifikation nach der Replikationsstrategie wird heute zunehmend ungebräuchlich, denn
seit 2018 stehen durch das ICTV definierte hohe Rangstufen (oderhalb der Ordnung) zur Verfügung
viele aufgrund von Sequenzvergleichen identifizierte Verwandtschaftsgruppen (Kladen) erstrecken sich über mehrere Baltimore-Gruppen. Unter den ersten solchen vom ICTV bestätigten Taxa waren
die Ortervirales (Baltimore 6 und 7) – revers transkribierende RNA- und DNA-Viren: Retroviren und Pararetroviren. Es handelt sich um RNA-Viren mit DNA-Zwischenstadium bzw. umgekehrt.
die Pleolipoviridae (Baltimore 1 und 2) – Vertreter mit dsDNA und Vertreter mit ssDNA
bei den Bacilladnaviridae (ssDNA) gibt es kleine, lineare ssDNA-Fragmente, die komplementär sind zu Abschnitten des großen, zirkulären ssDNA-Genoms. Durch deren Anlagerung entsteht ein zirkuläres DNA-Genom, das in kurzen Abschnitten dsDNA, ansonsten ssDNA ist.
die Endornaviridae sind (+)ssRNA-Viren (nach ICTV, das ist Baltimore 4), aber mit dsRNA-Zwischenstadium (Baltimore 3), meist wird letzteres isoliert. Daher werden sie verschiedentlich auch als dsRNA-Viren klassifiziert.[8]
Im Übrigen wird schon nach Baltimore bei Einzelstrang-DNA-Viren nicht zwischen den beiden Polaritäten unterschieden, nur bei Einzelstrang-RNA-Viren. Grund ist, dass es bei ersteren keine klare Unterscheidbarkeit gibt.
DNA-Viren
DNA-Viren bilden keine taxonomische Verwandtschaftsgruppe (Klade), stattdessen ist dieser Begriff lediglich eine Sammelbezeichnung der Virusklassifikation. Unter den DNA-Viren konnten jedoch eine Reihe von Taxa (Ordnungen und höher) als Verwandtschaftsgruppen ausgemacht und vom ICTV bestätigt werden.
Baltimore-Gruppe I
Doppelstrang-DNA – dsDNA (englischdouble strand), normale Genom-Form allen Lebens.[9]
Einzelstrang-DNA – ssDNA (englischsingle strand). Virionen enthalten DNA positiver oder negativer Polarität.[31]
Die Virusgruppe „CRESS“ (circular Rep-encoding single-strand DNA viruses) (im weiteren Sinne) ist keine Verwandtschaftsgruppe (Taxon), sondern polyphyletisch.[32][33][34][35][36] Das neue Phylum Cressdnaviricota fasst jedoch die hauptsächlichen Vertreter dieser in einer Verwandtschaftsgruppe zusammen.
Realm Monodnaviria (hier bis auf Sonderfall Pleolipoviridae)
Die Familie Pleolipoviridae war (mit der Ordnung Ortervirales) eines der ersten vom ICTV anerkannten Taxa (Verwandtschaftsgruppe, ermittelt nach der Genom-Sequenz), dessen Mitglieder in verschiedenen Baltimore-Gruppen (nämlich 1 und 2) fallen.
Dazu gehören Viren mit positiver Einzelstrang-RNA, die per Reverse Transkriptase (RT) in DNA zurückgeschrieben und ins Zellgenom eingebaut wird (Retroviren ssRNA-RT, Baltimore-Gruppe 6), sowie Viren mit Doppelstrang-DNA, die umgekehrt zur Replikation einen RNA-Zwischenschritt benutzen und daher ebenfalls revers transkribieren (Pararetroviren dsDNA-RT, Baltimore-Gruppe 7). Die meisten dieser Vertreter gehören unabhängig davon der Ordnung Ortervirales an.[64]
Baltimore-Gruppe VI
Positive Einzelstrang-RNA, die per Reverse Transkriptase (RT) in DNA zurückgeschrieben und ins Zellgenom eingebaut wird (Retroviren).
↑International Committee on Taxonomy of Viruses Executive Committee: The new scope of virus taxonomy: partitioning the virosphere into 15 hierarchical ranks, in: Nature Microbiology Band 5, S. 668–674 vom 27. April 2020, doi:10.1038/s41564-020-0709-x; sowie Nadja Podbregar: Ein Stammbaum für die Virosphäre, auf: scinexx.de vom 29. April 2020. Beide Artikel haben inhaltlich den Stand von Januar 2020, d. h. Einzelheiten der Master Species List (MSL) Nr. 35 des ICTV vom März 2020 sind noch nicht alle berücksichtigt. Für die grundsätzliche Intention des ICTV hat das aber keine Bedeutung, die Entwicklung ist mit der MSL#35 lediglich in der vorgegebenen Richtung schon wieder weitergegangen.
↑Nicole L. Welch, Natalya Yutin et al.: Adomaviruses: an emerging virus family provides insights into DNA virus evolution, in: bioRxiv, 7. Juni 2018 bioRxiv: 2018/06/07/341131 (Preprint-Volltext), doi:10.1101/341131, insbes. Fig. 7
↑ abNicole L. Welch, Michael J. Tisza et al.: Identification of “Missing Link” Families of Small DNA Tumor Viruses, in: BioRxiv; Cold Spring Harbor, 11. Juli 2019, bioRxiv: 10.1101/697771v3 (Preprint-Volltext)
↑ abEugene V. Koonin, Valerian V. Dolja, Mart Krupovic: Origins and evolution of viruses of eukaryotes: The ultimate modularity, in: Virology Mai 2015; 479–480. 2–25. PMC 5898234 (freier Volltext), PMID 25771806
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